Die Arbeiten und Thesen des Neurobiologen und Hirnforschers Prof. Dr. Gerald Hüther sind an dieser Stelle schon einige Male thematisiert worden.
Ob Sie als Wissensmanager oder Personalentwickler tatsächlich die aktuellen Erkenntnisse der Neurobiologie in Ihr Arbeitsgebiet einfließen lassen wollen, bleibt Ihnen überlassen – schaden kann es andererseits allerdings auch nicht, sich am “state of the art” aktueller Forschung zu orientieren.
In einem Gastbeitrag für die Hamburger Körber-Stiftung erläuterte er im jetzt aktuellen Newsletter (Ausgabe Nr. 40) seine These “Lernen braucht Begeisterung”:
Es stimmt, wir haben inzwischen leidvoll genug erfahren, wohin es führen kann, wenn Menschen sich in kollektiver Begeisterung selbst verlieren. Aber ist der Umstand, dass sich Menschen schon öfter mit großer Begeisterung hoffnungslos verrannt haben, tatsächlich ein Argument gegen die Begeisterung? […] Gibt es eine gute und eine schlechte Begeisterung? Auch hier bietet die moderne Hirnforschung eine interessante Antwort: Alles, was Menschen hilft, sie einlädt, ermutigt und inspiriert, eine neue andere Erfahrung zu machen als bisher, ist gut fürs Hirn und auch gut für die Gemeinschaft. Wem es gelingt, sein Gehirn noch einmal auf eine andere als die bisher gewohnte Weise zu benutzen, wer sich noch einmal mit Begeisterung für etwas öffnet, was ihm bisher verschlossen war, der bekommt auch ein anderes Gehirn. Potenzialentfaltung nennt man das, was dann passiert.
“Wunderbar”, denkt jetzt vielleicht manch Personalverantwortlicher, der mit der Dauerbaustelle organisationalen Change Managements beschäftigt ist, “damit habe ich den wissenschaftlichen Beleg als schlagkräftiges Argument für meine angestrebte Budgeterhöhung.”
Ja, aber bitte freuen Sie sich nicht zu früh, denn der Wissenschaftler fährt argumentativ fort:
Das ist freilich etwas ganz anderes als das, was die meisten Menschen gegenwärtig mit zwangsläufig schwindender Begeisterung überwiegend noch immer betreiben: Ressourcennutzung.
“…und – wo ist das Problem?” sagen auch jetzt vielleicht noch alle Verantwortlichen aus dem Human Resource Management als Reaktion darauf. Fast als hätte er diese Antwort geahnt, fährt Prof. Hüther in seinem Statement fort:
Wer als Ressourcennutzer erfolgreich sein will, muss besser sein als alle anderen, er muss einzelne Fähigkeiten auf Kosten all dessen entwickeln, was aus ihm sonst noch hätte werden können. Und er muss das, was er tut, für extrem bedeutsam halten, sich immer wieder aufs Neue dafür begeistern. Aus den vielfältigen Nervenwegen, die es dort anfangs einmal gab, werden so einige dicke Straßen und am Ende sogar breite Autobahnen. Wer dort angekommen ist, der hat sich den Weg zur Potenzialentfaltung nun leider hirntechnisch verbaut.
Hmmm – und nun?
Die Position des Neurobiologen ablehnen – oder in die eigene Arbeit integrieren?
Konzepte zur “Personalentwicklung 2.0” aufsetzen?
Wie stehen Sie zu den hier zitierten Thesen und Meinungen?